Presse/spiegel.de: Nach Putschversuch: Vier Deutsche noch immer in türkischer Haft

Dokumentation von http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-vier-deutsche-nach-putschversuch-noch-immer-in-haft-a-1111951.html

Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei ging die Regierung auch gegen deutsche Staatsbürger vor. Neun Menschen wurden verhaftet, eine davon war die Linken-Politikerin Canli. Sie kam frei, von den anderen ist wenig bekannt.

Von Maximilian Popp

Die Kieler Linken-Politikerin Yüksel Canli war in der Türkei im Urlaub, als sie festgenommen wurde. Polizisten drangen am Abend des 26. August in ihre Ferienwohnung in Edremit an der Ägäisküste ein.

Canli, 51, hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder für die Rechte von Kurden eingesetzt. Die türkischen Behörden warfen ihr vor, Terrorismus zu unterstützen. Canli leidet an Asthma und Diabetes. Sie saß eine Woche in der türkischen Stadt Baliksehir im Gefängnis – ohne ausreichende medizinische Versorgung. Erst nach fünf Tagen durfte sie einen Anwalt sehen. Inzwischen hat die Türkei das Verfahren eingestellt. Canli ist nach Kiel zurückgekehrt.

Andere Deutsche befinden sich dagegen nach wie vor in der Türkei in Haft. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken wurden nach dem Putschversuch in der Türkei vom 15. Juli insgesamt neun deutsche Staatsbürger verhaftet, fünf wurden mittlerweile wieder freigelassen – eine davon ist Canli. Sechs Deutschen wurde die Ausreise aus der Türkei untersagt, in drei Fällen ist die Sperre nach wie vor wirksam.

Wer diese Verhafteten sind, ist bislang nicht bekannt, auch nicht, was ihnen vorgeworfen wird. Es ist zu vermuten, dass sie sich entweder – wie Canli – für Kurden engagiert haben oder mit den Anhängern des islamischen Predigers Fethullah Gülen in Verbindung standen, den die türkische Regierung verdächtigt, den Staatsstreich orchestriert zu haben.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es lediglich, man stehe mit Betroffenen in Kontakt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach dem Putsch den Ausnahmezustand über sein Land verhängt. Er nutzt die Krise, um gegen Kritiker vorzugehen. Mehr als 100.000 Staatsbeamte wurden seit dem 15. Juli vom Dienst suspendiert, etwa 30.000 Menschen wurden verhaftet.

Vergangenen Sonntag hat die türkische Regierung in kurdischen Provinzen 28 Bürgermeister wegen des Vorwurfs der Terrorunterstützung durch Zwangsverwalter ersetzt. Fast alle der betroffenen Kommunen wurden von der pro-kurdischen Partei HDP regiert.

Der europapolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Andrej Hunko, bezeichnet es als „skandalös“, dass sich die Repressionen nun auch gegen deutsche Staatsbürger richten. „Es ist unfassbar, dass die Bundesregierung das Vorgehen der türkischen Behörden nicht verurteilt und an der Partnerschaft festhält. Sie macht sich mitschuldig.“

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