Solidaritätserklärung

FREIHEIT FÜR YÜKSEL, BILEN UND CEMAL!

Seit dem 27. August 2016 befindet sich unsere Kieler Genossin und Freundin Yüksel in der Türkei in Untersuchungshaft. Yüksel Canlı ist 51 Jahre alt und lebt seit 1974 in Deutschland und hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie wurde am Samstagmorgen während ihres Urlaubs in der ägäischen Stadt Edremit mit zwei weiteren Genoss_innen, Bilen Ceyran aus Belgien und Cemal Altınsu aus Frankreich, in einer Ferienwohnung brutal festgenommen und auf das Polizeipräsidium in Balıkesir verschleppt. Bis zum 30. August haben die türkischen Behörden die Kontaktaufnahme mit den vor Ort ausharrenden Anwält_innen und Familienangehörigen verweigert.

Während die staatsnahe Presse einen Terrorvorwurf konstruiert und gegen die Genoss_innen hetzt, sind die realen Vorwürfe bis heute noch unklar.

Bereits am Vortag hatte es in der türkischen Urlaubsregion 8 Verhaftungen von Aktivist_innen der SGDF (Sosyalist Gençlik Dernekleri Federasyonu – Föderation der sozialistischen Jugendverbände) gegeben. Allesamt sind sie Überlebende des fürchterlichen Terroranschlags von Suruç im Juli 2015, bei dem 33 Menschen getötet und Unzählige schwer verletzt wurden.

Die somit insgesamt 11 Festgenommen wurden allesamt zur Polizeistation in Balıkesir gebracht und befinden sich dort bis heute in U-Haft. Das Verfahren wurde unter Geheimhaltung gestellt, wie so oft bei ähnlichen Fällen in der Türkei. Bislang gibt es keinerlei Stellungnahme der türkischen Behörden – weder zu den konkreten Vorwürfen noch zum Befinden der Gefangenen.

Erst nach vier Tagen wurde den Rechtsanwält_innen ein erster Gefangenenbesuch ermöglicht. Dadurch erfuhren wir, dass die Festgenommen gefoltert wurden, seit Samstag keinerlei Nahrungsmittel erhalten haben (außer Wasser) und seit ihrer Festnahme unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem unmöblierten Raum auf dem nackten Betonboden ausharren müssen. Insbesondere für Yüksel, die stark gesundheitlich beeinträchtigt ist – u.a. mit einer bescheinigten 70 prozentigen Behinderung aufgrund eines schweren Rückenleidens – bedeutet dies eine weitere permanente Folter. Wir sind in großer Sorge um unsere Freundin Yüksel, die dringend medizinischer Versorgung bedarf!

Die ursprünglich für den 31.08. terminierte staatsanwaltschaftliche Anhörung der Gefangenen fand nun heute statt. Nach fünf langen Tagen der absoluten Informations- und Kontaktsperre für die z.T. aus Europa angereisten Familienangehörigen war es heute erstmals für knapp 5 Minuten möglich, dass sie die Inhaftierten kurz sehen, umarmen und mit ihnen sprechen durften. Danach begann dann die jeweilige Anhörung vor der Staatsanwaltschaft, immerhin in Begleitung der Rechtsanwält_innen. Wir haben uns sehr gefreut, als uns heute Nachmittag das erste gemeinsame Foto von Yüksel und ihrem Sohn erreichte! Allerdings erreichte uns soeben die Nachricht von Yüksels Rechtsanwalt in Balıkesir, dass derzeit alle Gefangenen bereits dem Haftrichter vorgeführt werden. Außerdem hat ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft schon nach der zweiten Anhörung öffentlich verkündet, dass die Haft für alle Gefangenen fortgesetzt werden soll. Der Ausgang der Anhörung stand offenbar schon im Vorfeld fest, und verdeutlicht den Verurteilungswillen der Gesinnungsjustiz.

Das politische Konstrukt der türkischen Regierung, man habe am vergangenen Wochenende angeblich ein europaweit agierendes sozialistisches Terrornetzwerk festgenommen, nämlich die SGDF, welches sich in der türkischen Urlaubsregion angeblich verabredet habe um Terroranschläge zu planen und durchzuführen, ist so absurd wie offensichtlich! Dass Kurd_innen, Alevit_innen und dazu noch linke kritische Oppositionelle in der Türkei unterdrückt, schikaniert und schlussendlich vernichtet werden sollen ist keine neue Erkenntnis – dank des Ausnahmezustands sind jedoch die letzten Schranken gefallen und bislang kümmert das den Rest der weltweit herrschenden Eliten kein Stück.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns mit den Inhaftierten Genoss_innen solidarisieren und alles uns Mögliche dafür tun, dass sie schnellstens freigelassen werden und dafür müssen wir den entsprechenden Druck aufbauen!

Yüksel Canlı hat u. a. die Arbeit der AGIF (Föderation der ArbeitsimmigrantInnen in Deutschland) und dem SKB (Bund sozialistischer Frauen) unterstützt. Insbesondere bei Protesten gegen die bestialischen Massaker von Suruç, Ankara, Istanbul, Brüssel, Paris und in Kurdistan ist Yüksel aktiv gewesen und hat die Solidaritätsarbeit mit der SGDF unterstützt. In Kiel ist sie eine bekannte Genossin und aktiv in diversen politischen Zusammenhängen und Bündnissen unterwegs. Das dürfte auch dem türkischen Geheimdienst nicht verborgen geblieben sein…

Wir wissen, dass der Staatsterror Erdoğans und seiner AKP jede_n treffen kann; dazu reicht es offenbar, als linke Aktivistin in den Urlaub zu fahren. Mit der Verhängung des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch vom 15. Juli hat sich das Erdoğan-Regime ein weiteres, umfassendes Instrument geschaffen, um systemkritische Stimmen mundtot zumachen. Razzien, willkürliche Verhaftungen und Folter sind Alltag geworden. Festnahmen nur auf Verdacht wurden auf bis zu 30 Tage ausgeweitet. Jegliche Grundrechte wurden außer Kraft gesetzt, Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit wurden abgeschafft. Dafür steht die Türkei zwar europaweit in der Kritik, aber es folgen seitens der europäischen Regierungen keine Konsequenzen. Der schmutzige Krieg gegen die KurdInnen und die Verfolgung jeglicher politischer Opposition in der Türkei wird stillschweigend toleriert, um den sogenannten „Flüchtlingspakt“ und die „guten Beziehungen“ zu dem EU-Beitrittskandidaten und NATO-Partner nicht zu gefährden. Diese Unterstützung muss aufhören, die Türkei verübt Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit – mithilfe deutscher Waffen und Logistik!

Wir fürchten um die Gesundheit und das Leben von Yüksel Canlı und fordern ihre sofortige Freilassung!

Wir fordern den sofortigen ungehinderten Zugang für Anwält_innen, Angehörige und unabhängige medizinische Betreuung sowie die Freilassung aller 11 Gefangenen aus Balıkesir!

Wir fordern die deutsche Botschaft in der Türkei, das Konsulat, das Auswärtige Amt und die Bundesregierung auf, Druck auf die türkische Regierung auszuüben und sich nachdrücklich für die sofortige Freilassung von Yüksel Canlı einzusetzen!

Wir rufen alle demokratischen Kräfte auf, gegen die Festnahme von Yüksel Canlı, Bilen Ceyran und Cemal Altınsu zu protestieren und ihre Freilassung unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten einzufordern!

Stand 01.09.2016

Kontakt zum Kieler Solidaritätsbündnis „Freiheit für Yüksel“:
freiheit-fuer-yueksel-kiel@riseup.net

Unterzeichner_innen:

Amnesty Jugend Kiel
Antifaschistische Koordination Düsseldorf
Antifaschistische Aktion Flensburg
Antifa Oberschwaben
AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland (Köln)
black-mosquito Mailorder (Flensburg)
BI Kiel gegen Atomanlagen
Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurd_innen Kiel e.V.
Dietrich Lohse – Sprecher des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus Kiel –
Fire and Flames Music and Clothing (Kiel)
Griechenland-Solidaritäts-Komitee Kiel
Gruppe Subvertere (Kiel)
interventionistische linke (il) kiel
Konzertgruppe rebelti@s (Kiel)
Kurdisches Frauenbüro für Frieden – Cenî e.V
Kurdistan-Solidaritäts-Komitee-Kiel
nara [kiel] – netzwerk antirasisstische aktion kiel
Rosa-Luxemburg-Stiftung SH
Rote Hilfe Kiel
Subrosa-Kollektiv Kiel
Weqfa Jina Azad a Rojava – Foundation of the Free Woman in Rojava
YXK – Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V.

Einzelpersonen:

Anning und Dietrich Lohse (Kiel)
Barbara Kautz
Bettina Jürgensen (Kiel, Mitglied im Vorstand marxistische linke)
Bodo Schulz (Heidenau)
Christiane vom Schloß
Gisela Reich, Mitglied ver.di Hamburg AK AntiRa
Irmgard Jasker
Jens Dähnel (Berlin BV DIE LINKE Pankow)
Peter Schrott (ver.di, Bezirk Berlin)
Rainer Beuthel (DIE LINKE, Kreissprecher Rendsburg-Eckernförde)
Uli Schippels (Landesrat DIE LINKE SH)